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13.02.2023 - 12:14

Interview: Arbeit 4.0 als Kulturrevolution

Der Strategiegruppenvorsitzende Markus Weismann über „Neue Arbeitswelten“ und die Verschmelzung von digital und real.

Seit drei Jahren gibt es die Strategiegruppe Neue Arbeitswelten. Womit befasst sie sich?

Ich habe Schwierigkeiten mit dem Begriff Neue Arbeitswelten, weil sich das meist auf klassische Bürogebäude und das direkte Umfeld am Arbeitsplatz fokussiert. Für mich hängt der Strukturwandel stark mit den Anforderungen aus dem Klimaschutz zusammen. Vor dem Hintergrund des umfassenden Strukturwandels sollten wir uns viel mehr mit einer intelligenten, vernetzten Arbeit in allen Maßstäben auseinandersetzen. Der Technologieschub ermöglicht einerseits neue Produktionsprozesse, eine höhere lokale Wertschöpfung wie auch neue Lebens- und Arbeitsmodelle, andererseits stellen sich Fragen wie die gebauten und digitalen Arbeitswelten zusammenkommen.
 

Ist die Neue Arbeitswelt also vor allem ein Mentalitätswandel?

An vielen Standorten werden ganze Strukturen überdacht. Doch darauf sind wir nicht eingestellt. Ob Politik, Verwaltung, Bürgerschaft:  Häufig werden Maximalforderungen gestellt, aber selten werden die teils widersprüchlichen Anforderungen zusammengebracht. So schaffen wir die Transformation nicht.


Das ist doch für die Planungsberufe eine Chance?

Die Arbeitswelt hat schon immer die Strukturen der Städte geprägt. Und so wird es auch jetzt sein. Die neue Form der Arbeitswelt wird sich aber auch in den Strukturen unserer Architektur- und Planungsbüros abbilden müssen. Dafür müssen wir mutig und selbstbewusst sein. Wir müssen künftig weitere Rollen einnehmen, jedoch ohne unsere Kernkompetenz als ArchitektInnen zu verlieren. Das heißt, nicht nur Dienstleister sein und in den klassischen Leistungsphasen denken, sondern in frühen Projektphasen Entwicklungen aktiv mitdenken, Bedarfe ermitteln und dialogisch Prozesse gestalten.


Welche neue Qualität von Planung und Bauen sehen Sie künftig?

Der Strukturwandel fordert die Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen. In der Wirtschaft der Zukunft geht es um neue Strukturen mit Angeboten für Austausch und Kommunikation auf allen Ebenen, die Innovationen auslösen. Wir müssen Arbeitswelten deshalb auch im städtischen Kontext betrachten. Hier sind die Bedarfe viel höher als angenommen, auch wird noch zu sehr auf Grundlage der bisherigen materiellen Welt geplant. Spätestens seit Corona zeigt sich, dass die Verschmelzung von digital und real etwas komplett Neues, etwas Drittes ist, das auf räumlicher Ebene neuer Antworten bedarf.


Was also macht die neue Wirtschaftswelt aus?

Arbeiten in der Stadt wird eine große Chance sein, um von der konsumistischen Überformung monofunktionaler Innenstädte wegzukommen. Hier wird die Weiterentwicklung des Bestands im Vordergrund stehen. In den Speckgürteln wird aber typologisch noch mehr Innovation entstehen, da hier verschiedene Anforderungen und Nutzungen zusammenkommen und attraktive Mobilitätskonzepte geschaffen werden müssen, die in Konkurrenz mit dem Remote Work treten. Alle wollen flexibler sein, Freiheiten haben, gleichzeitig sehnen wir uns gerade in der individualisierten Arbeitswelt nach Begegnung und Gemeinschaft. Es geht nicht darum, noch mehr „fancy“ Angebote zu machen, sondern darum, die Firmenkultur zu definieren und sie abzubilden in Räumen. Die Unternehmen kommen nicht darum herum, darüber nachzudenken, was das Gemeinsame, was die Identifikation ausmacht. Das ist der Hebel, warum die Leute zusammenkommen. Deshalb bin ich sehr gespannt auf den ARCHIKON 2023.

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