22.05.2025 - 10:48

H2FLY über Fortschritte und Perspektiven in der Wasserstoffluftfahrt

hy-fcell Interview mit Dr. Josef Kallo, CEO von H2FLY – Gewinner des hy-fcell Awards 2024 in der Kategorie „Development & Research”.

Im Herbst 2024 wurde H2FLY mit dem renommierten hy-fcell Award in der Kategorie „Research & Development“ ausgezeichnet. Das Stuttgarter Unternehmen zählt zu den Vorreitern der emissionsfreien Luftfahrt und hat mit dem wasserstoff-elektrischen Flugzeug HY4 international für Aufsehen gesorgt. Ein halbes Jahr nach der Preisverleihung und ein halbes Jahr vor der nächsten hy-fcell gibt Dr. Josef Kallo, CEO von H2FLY im Interview einen exklusiven Einblick: Wie hat sich das Unternehmen seitdem weiterentwickelt? Welche technologischen Meilensteine wurden erreicht – und wie sieht der Weg bis zur Marktreife aus?

Ihr HY4-Flugzeug hat gezeigt, dass wasserstoff-elektrisches Fliegen möglich ist. Was waren die wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zu dieser Technologie?

Ein erster bedeutender Moment war der Erstflug der HY4 im September 2016 am Flughafen Stuttgart. Damals haben wir zum ersten Mal gezeigt, dass ein viersitziges Passagierflugzeug, ausgestattet mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb, emissionsfrei und sehr leise betrieben werden kann – ein weltweites Novum zu diesem Zeitpunkt.

Ein weiterer Meilenstein war der erste Überlandflug von Stuttgart nach Friedrichshafen im April 2022. Bei diesem Flug haben wir nicht nur bewiesen, dass wasserstoff-elektrisches Fliegen auch über größere Distanzen sicher möglich ist, sondern gleichzeitig einen Höhenrekord für Flugzeuge dieser Technologieklasse aufgestellt – mit einer Flughöhe von über 7.200 Fuß (etwa 2.200 Metern).

Im September 2023 ist es uns schließlich gelungen, erstmals einen bemannten Flug mit flüssigem Wasserstoff durchzuführen. Der Einsatz von kryogenem Wasserstoff – also in flüssiger Form – eröffnet völlig neue Reichweitenpotenziale und stellt einen entscheidenden Schritt in Richtung marktfähiger Anwendungen dar. Im Rahmen der Testflugkampagne konnten wir die Reichweite unseres Testflugzeugs HY4 von 750 km auf 1.500 km verdoppeln.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Entwicklung und Bereitstellung eines Brennstoffzellensystems für das Lufttaxi-Demonstrationsflugzeug von Joby Aviation, das damit über 800 km zurücklegen konnte. Diese erfolgreiche Demonstration unterstreicht das Potenzial unserer Technologie für die zukünftige regionale Luftmobilität – ganz ohne konventionelle Start- und Landebahnen.

All diese Erfolge verdanken wir der engen Zusammenarbeit mit starken Partnern aus Forschung, Industrie und Politik – und natürlich einem hochmotivierten Team, das täglich an der klimaneutralen Luftfahrt von morgen arbeitet.

Der Luftfahrtsektor steht unter wachsendem Druck, emissionsfreie Antriebssysteme zu entwickeln. Welche Rolle spielt Wasserstoff in der Zukunft der Luftfahrt?

Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle in der Transformation der Luftfahrt hin zu mehr Nachhaltigkeit. Als Energieträger mit hoher Energiedichte bietet er das Potenzial, auch größere Reichweiten zu ermöglichen – insbesondere für den Regionalverkehr.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Bei der Umwandlung von Wasserstoff in Strom mittels Brennstoffzellen entsteht lediglich Wasser – keine CO₂-Emissionen, keine relevanten Stickoxide. Das ist ein bedeutender Fortschritt gegenüber konventionellen Treibstoffen.

Während batterieelektrische Antriebe sich hervorragend für Kurzstreckenflüge eignen, erweitert die Integration von wasserstoff-elektrischen Antrieben das Einsatzspektrum erheblich. Die erfolgreichen Demonstrationsflüge im letzten Jahr zeigen, wie diese Kombination das Potenzial elektrischer Luftfahrt auf mittlere Distanzen ausdehnt – und damit den Anwendungsbereich emissionsfreier Luftmobilität insgesamt erweitert.

Wasserstoff-Brennstoffzellen könnten eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs spielen. Wie schätzen Sie das Marktpotenzial ein und welche Hürden müssen noch überwunden werden?

Mit einem Anteil von etwa 3–5 % an den globalen Treibhausgasemissionen trägt die Luftfahrt wesentlich zum Klimawandel bei. Besonders besorgniserregend ist, dass diese Emissionen ohne entschiedene Gegenmaßnahmen weiter steigen werden, da die Branche jährlich wächst. Daher ist das Marktpotenzial für wasserstoff-elektrische Luftfahrzeuge immens.

Zentral für die erfolgreiche Einführung ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff. Nur wenn Wasserstoff regenerativ erzeugt wird, kann von klimaneutraler Luftfahrt gesprochen werden – die derzeitige Kapazität reicht hierfür noch nicht aus.

Auch die Infrastruktur an Flughäfen muss schrittweise aufgebaut werden – beginnend mit modularen Einheiten. Parallel dazu arbeiten wir an der Weiterentwicklung und Optimierung unserer Brennstoffzellen- und Tanksysteme, um ein marktreifes Produkt zu entwickeln, das sämtliche Anforderungen an Sicherheit, Zuverlässigkeit und Leistung erfüllt und zertifiziert werden kann.

Unsere bisherigen Demonstrationsflüge haben bewiesen, dass die Technologie grundsätzlich einsatzbereit ist. Jetzt gilt es, die Rahmenbedingungen für den kommerziellen Betrieb zu schaffen – gemeinsam mit Industrie, Behörden und Politik.

Sie arbeiten aktuell an der nächsten Generation Ihres Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antriebs. Was sind die nächsten technologischen Schritte?

Unser Fokus liegt auf der Steigerung der Leistungsdichte und der Gewichtsreduktion des Gesamtsystems. Um diese Ziele zu erreichen, entwickeln wir zunehmend eigene Komponenten, die optimal auf die Anforderungen der Luftfahrt abgestimmt sind.

Sie haben bereits Kooperationen mit namhaften Partnern wie Deutsche Aircraft. Welche Rolle spielen Ihre Partnerschaften bei der Skalierung der Technologie?

Partnerschaften sind für uns essenziell. Wir bringen unsere Brennstoffzellen-Expertise ein, unsere Partner wiederum liefern wertvolles Know-how aus anderen Bereichen, reale Anwendungsszenarien oder Marktzugang. So können wir unsere Technologie optimal an die Bedürfnisse der Luftfahrtindustrie anpassen.

Die Dekarbonisierung der Luftfahrt ist eine branchenübergreifende Aufgabe. Nur durch enge Zusammenarbeit können die ambitionierten Klimaziele erreicht und nachhaltige Lösungen umgesetzt werden. Partnerschaften sind für uns daher kein strategisches „Add-on“, sondern eine absolute Notwendigkeit.

Die Luftfahrtbranche ist stark reguliert. Welche regulatorischen Hürden gibt es – und wie begegnen Sie ihnen?

Wir setzen auf einen proaktiven, kooperativen Ansatz und arbeiten eng mit den Luftfahrtbehörden zusammen, um passende regulatorische Rahmenbedingungen zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um die Sicherheit der Brennstoffzellen, sondern auch um die sichere Speicherung von flüssigem Wasserstoff an Bord und die Integration in die Flugzeugstruktur.

Durch unsere Demonstrationsflüge und Erfahrungen mit kleineren Flugzeugen gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse, die in zukünftige Richtlinien und Zertifizierungsprozesse einfließen.

Der Gewinn des hy-fcell Awards 2024 hat Ihre Arbeit ausgezeichnet. Wie hat sich Ihr Unternehmen seitdem entwickelt?

Seit der Auszeichnung haben wir in mehreren strategischen Bereichen große Fortschritte erzielt. Ein Schwerpunkt liegt auf der Weiterentwicklung der nächsten Generation unseres Brennstoffzellensystems – mit Fokus auf Leistungsdichte und Gewichtsreduktion. Die Eigenentwicklung kritischer Komponenten spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Parallel richten wir unseren Blick verstärkt auf das gesamte Wasserstoff-Ökosystem. Technologie allein reicht nicht – auch Infrastruktur, Regularien und Geschäftsmodelle müssen Hand in Hand entwickelt werden. Daher prüfen wir aktuell verschiedene Kooperationsmöglichkeiten, um diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Ihre Vision sind wasserstoff-elektrische Flugzeuge mit bis zu 2.000 km Reichweite. Wie sehen die nächsten Entwicklungsschritte aus – und wann starten erste kommerzielle Anwendungen?

Unsere Kommerzialisierungsstrategie ist schrittweise aufgebaut. Wir beginnen mit kleineren Anwendungen wie Lufttaxis, bevor wir auf größere Regionalflugzeuge skalieren. So können wir kontinuierlich lernen und technische Risiken minimieren.

Derzeit liegt unser Fokus auf der Entwicklung eines ersten zertifizierbaren Produkts im Zeitraum 2028–2030. Der exakte Startpunkt kommerzieller Anwendungen hängt jedoch stark vom Zertifizierungsprozess ab – dieser wird in enger Abstimmung mit den Behörden vorangetrieben.

Interesse am hy-fcell Award 2025? Dann bewerben Sie sich jetzt: https://www.messe-stuttgart.de/hy-fcell/programm/hy-fcell-award

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