„Zugang, Kontrolle, Transparenz“ – Wie IQM mit Resonance den Weg zu reproduzierbarer Quantenforschung ebnet
Dr. Seegerer, Sie verantworten bei IQM die Produktentwicklung rund um die Quantum Platform. Was sind aktuell die größten Herausforderungen und Chancen in Ihrem Arbeitsfeld?
Die größten Chancen in der Entwicklung unserer Quantum Platform liegen für uns in der einzigartigen Möglichkeit, maßgeblich zu gestalten, wie ein großer Teil der zukünftigen Nutzer mit Quantencomputern interagieren wird. Wir definieren hier nicht nur leistungsstarke Werkzeuge, sondern prägen das gesamte Benutzererlebnis für diese spannende Technologie. Aus den kontinuierlichen Meilensteinen unserer ambitionierten Roadmap ergeben sich dabei immer wieder neue Potenziale.
IQM Resonance positioniert sich als intuitiv nutzbare, vollständig verwaltete Cloud-Plattform für den Zugang zu Quantenhardware. Was war Ihnen bei der Entwicklung besonders wichtig – und worauf sind Sie im Rückblick besonders stolz?
Bei der Entwicklung von IQM Resonance war es uns entscheidend, eine Plattform zu schaffen, die nicht nur leistungsfähig, sondern vor allem intuitiv und zugänglich ist. Wir wollten die Einstiegshürde senken und gleichzeitig tiefgehende Forschung ermöglichen. Rückblickend bin ich besonders stolz darauf, wie wir diesen Spagat geschafft haben:
Zum einen auf die einfache Zugänglichkeit zu unserer Hardware. Wir kombinieren die Unterstützung etablierter Frameworks wie Qiskit und Cirq mit unseren eigenen, leistungsstarken Tools – wie beispielsweise unser erst kürzlich veröffentlichtes Paket zur Lösung von Optimierungsproblemen oder der feingranulare Pulse-Level-Zugang. Das gibt Forschern die Flexibilität, die sie brauchen.
Zum anderen darauf, dass wir über IQM Resonance Zugriff auf zwei unterschiedliche QPU-Topologien bieten. Das erlaubt unseren Nutzern, spezifische Architekturen für ihre Forschung oder Anwendung zu wählen. Und ein besonderer Punkt, der uns am Herzen liegt: Unser kostenloser Starter-Account ermöglicht es auch Neueinsteigern im Quantencomputing, diese spannende Technologie kostenlos und direkt auf echter Hardware auszuprobieren. Das ist ein wichtiger Schritt, um mehr Talente für unser Feld zu begeistern.
Einige Quantum-Cloud-Angebote wirken eher wie Showcase-Plattformen als echte Werkzeuge für reproduzierbare Forschung. Was entgegnen Sie dieser Kritik – und wie unterscheidet sich IQM Resonance konkret?
Bei IQM konzentrieren wir uns darauf, mit IQM Resonance eine Plattform bereitzustellen, die mehr als nur eine Präsentationsplattform ist. Unser Grundprinzip ist es, den Nutzern maximale Kontrolle und Transparenz zu bieten, was für reproduzierbare Forschung unerlässlich ist.
Dazu setzen wir darauf, möglichst viel Kontrolle auf die Nutzerseite zu verlagern. Das bedeutet beispielsweise, dass die Transpilierung – also die Übersetzung des Quantenalgorithmus in Hardware-spezifische Anweisungen – direkt auf dem Gerät des Nutzers stattfindet. Dies gibt Forschern volle Kontrolle über jeden Schritt und vermeidet 'magische Pipelines' oder versteckte Optimierungen auf unserer Serverseite.
Ein weiteres Beispiel ist unser Pulse-Level-Access: Nutzer haben volle Einsicht bis auf die Mikrowellenpulsebene und können ihre Experimente präzise steuern. Diese Granularität ist essenziell für die Wiederholbarkeit von Ergebnissen und tiefgehende Analysen.
Zudem bieten wir mit zwei verschiedenen Hardware-Topologien und hohen Gatter-Fidelitäten eine robuste und leistungsstarke Grundlage. Dies alles zielt darauf ab, dass IQM Resonance ein echtes, vertrauenswürdiges Werkzeug für anspruchsvolle Quantenforschung und -entwicklung ist.
Mit Crystal 20, Crystal 54 und Star 24 bieten Sie verschiedene QPU-Designs an – vom hochgradig vernetzten bis zum skalierbaren Layout. Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem eine dieser Plattformen bereits heute echten Mehrwert gestiftet hat – sei es in der Forschung oder in einem Industrieprojekt?
Ja, wir haben bereits konkrete Beispiele, wo unsere QPU-Designs echten Mehrwert stiften. So werden unsere Quantencomputer aktiv für Forschungsprojekte und die Arbeit an Proof of Concepts verwendet. So haben wir etwa in einem Projekt mit der Firma DATEV eine unserer QPU’s eingesetzt für die Portfoliooptimierung.
Über diese direkten Anwendungsbeispiele hinaus leisten unsere verschiedenen QPU-Designs auch einen fundamentalen Beitrag zur Forschung. Nehmen Sie beispielsweise unseren Star 24-Prozessor. Sein einzigartiges Design mit einem zentralen Resonator erlaubt es uns und unseren Forschungspartnern, neue Ansätze etwa zur Quantenfehlerkorrektur zu explorieren. Diese Forschungsarbeit ist essenziell, denn Fehlerkorrektur ist der Schlüssel zu wirklich fehlertoleranten Quantencomputern. Auch hierzu haben wir bereits wichtige Ergebnisse veröffentlicht, die zeigen, wie unsere Hardware innovative Forschung im Bereich der Fehlerkorrektur ermöglicht.
Offenheit ist ein wiederkehrendes Prinzip bei IQM – ob bei der Integration gängiger Frameworks wie Qiskit oder Cirq, oder beim Einblick in Hardwaredetails. Warum ist Ihnen Transparenz so wichtig – und wie wird sie im Alltag erlebbar?
Transparenz ist für uns bei IQM ein fundamentaler Pfeiler. Wir sind der festen Überzeugung, dass sie entscheidend ist, um das Vertrauen in diese noch junge Technologie aufzubauen, aber auch um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Wenn die Nutzer verstehen, wie der Quantencomputer funktioniert und ihre Experimente ausgeführt werden, können sie bessere Algorithmen entwickeln und die Ergebnisse besser interpretieren. Das ist auch essenziell für die Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Forschung.
Im Alltag machen wir Transparenz auf verschiedene Weisen erlebbar. Das sind Softwarebestandteile wie der Pulse-Level Access aber auch die Architektur, mit der wir es der Community wirklich ermöglichen wollen, ihre eigenen Lösungen anzudocken und lokale Quantenhubs aufzubauen. Es sind natürlich auch unsere Open-Source-Beiträge wie die QAOA Library oder auch unsere Chip-Design-Software KQCircuits.
Kurz gesagt: Wir helfen dabei mit, ein Ökosystem zu schaffen, in dem Wissen geteilt wird und jeder tief in die Technologie eintauchen kann. Das ist der Weg, um das volle Potenzial des Quantencomputings freizusetzen.
Wenn Sie in die nächsten zwei bis drei Jahre blicken: Was halten Sie für realistisch – etwa im Hinblick auf NISQ-Anwendungen, Hardware-Entwicklung oder den Einsatz in Industrieprojekten?
Die nächsten zwei bis drei Jahre werden für das Quantencomputing, und für IQM, sehr spannend sein. Im Bereich der NISQ-Anwendungen (Noisy Intermediate-Scale Quantum) erwarten wir, dass wir die Gatter-Performance deutlich steigern und Fehler noch besser mitigieren und unterdrücken können. Die Fortschritte in der Quantenchemie und Materialwissenschaft werden besonders interessant sein.
Bei der Hardware-Entwicklung sind wir auf einem klaren Kurs in Richtung fehlertolerantes Quantencomputing. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir weitere Schritte bei der Skalierung unserer Qubit-Zahlen sehen – mit Systemen wie den 150-Qubit- und 300-Qubit-Systemen, die wir an VTT in Finnland liefern. Der Fokus wird auch auf der Entwicklung erster Quantenfehlerkorrektur-Demonstratoren liegen.
Abschließend ein Blick auf die Nachwuchsförderung: Mit IQM Academy und Spark engagieren Sie sich stark für Quantum Education. Was funktioniert gut – und wo sehen Sie nach wie vor die größten Hürden zwischen akademischer Ausbildung und industrieller Praxis?
Die Nachwuchsförderung ist für uns bei IQM von strategischer Bedeutung. Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen in der gesamten Branche, und wir tun unser Bestes, diese Lücke zu schließen.
Was gut funktioniert, ist der praxisnahe Ansatz unserer Initiativen. Mit IQM Spark stellen wir Universitäten einen echten supraleitenden Quantencomputer zur Verfügung. Das ist ein Game-Changer, denn Studierende können so direkt an der Hardware lernen und verstehen, wie ein Quantensystem wirklich funktioniert. Die IQM Academy ergänzt das perfekt als kostenlose Online-Plattform, die jedem den Einstieg ins Quantencomputing ermöglicht, unabhängig vom Vorwissen. Die Kombination aus theoretischem Wissen und direktem Hardware-Zugang ist extrem effektiv.
Trotz dieser Fortschritte sehen wir weiterhin Herausforderungen, insbesondere bei der Anpassung der akademischen Ausbildung an das rasante Tempo der industriellen Entwicklung. Die Quantentechnologie entwickelt sich kontinuierlich weiter, was eine ständige Aktualisierung der Lehrpläne erfordert. Unser Ziel ist es hierbei, den Fokus auf die zugrundeliegenden Konzepte zu legen und eine reine Schulung spezifischer Programmier-Frameworks zu vermeiden. Wir arbeiten daher auch an Beispielen und offenen Materialien, die einen tieferen Einblick in die fundamentalen Ideen des Quantencomputings ermöglichen und so die nächste Generation von Quantenexperten optimal auf die industriellen Anforderungen vorbereiten.
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