Spielend leicht in die Quantenwelt – wie GALaQSci den Zugang zur Quantentechnologie verändert
Nikola, ihr bringt mit „Qookies“ Quantenphänomene auf das Smartphone. Wie kam dieses Projekt ins Rollen – und was hat dich daran besonders gereizt?
GALaQSci startete im November 2023 offiziell als Teil der BMBF-Initiative „Quantum Aktiv: Outreach-Konzepte und Open Innovation für Quantentechnologien“ und erhielt eine Förderung von 1,7 Mio. €. Lange vor dem Startschuss des Projekts haben mein sehr geschätzter Kollege Dr. Fabian Schrodt von der Quantum Gaming GmbH und ich mit dem Gedanken gespielt, Virtual Reality, KI und Quantentechnologie mit Gamification zu verbinden. Diese Idee haben wir zunächst den Instituten im „Ländle“ vorgestellt, konnten jedoch kein passendes Projekt starten. Unabhängig davon entwickelte sich ein ähnlicher Gedanke zum spielbasierten Lernen in den Quantentechonologien in einem Münchner Verbund aus Dr. Stefan Küchemann, Dr. Tatjana Wilk vom MCQST, Prof. Dr. Jochen Kuhnvon der LMU, Prof. Dr. Alexander Holleitner, Prof. Dr. Dominik Bucher von der TUM und PD Dr. Sascha Mehlhase vom MPQ. Dank der Empfehlung von Dr. Axel Plinge vom Fraunhofer-Institut kamen wir in Kontakt und so entwickelte sich GALaQSci..
Bereits im ersten Gespräch wurde allen Beteiligten klar, dass wir ein gemeinsames Projekt starten möchten. Für mich liegt auf der Hand, dass die Kombination aus Storytelling, unterhaltsamen Spielmechaniken, innovativen didaktischen Ansätzen mit Hilfe eines KI-NPCs und echten Quantentechnologien einen enormen gesellschaftlichen Mehrwert bietet. Wir entwickeln nicht “nur” ein Spiel, sondern übersetzen auch abstrakte Quantenphänomene in interaktive Rätsel. Die Herausforderung, Konzepte der Quantenkommunikation, Quantensensorik und Quantencomputing für Laien erfahrbar zu machen, reizte mich von Anfang an.
Im Zentrum der Quantum Effects steht der Wissenstransfer – wie kam es bei euch zur Idee, ein Spiel als Brücke zwischen Forschung und Öffentlichkeit zu nutzen?
Die Forschung wirkt für Nicht-Expert:innen oft zu abstrakt. Viele Interessierte geben sehr schnell auf, weil Themen aus der Quantenphysik schnell sehr komplex werden und steile Lernkurven aufweisen. Mit dem Spiel haben wir ein leicht zugängliches Format geschaffen, mit dem wir die Lerninhalte in kleine, leicht verdauliche Portionen aufteilen können. Durch unser KI-gestütztes Gameplay können Spieler:innen Quanten-Rätsel im Dialog und Interaktion mit einer KI lösen und gleichzeitig in eine unbeschwerte Geschichte eintauchen. Damit erreichen wir die Menschen direkt auf ihrem Smartphone. Genau dort, wo sie ohnehin lernen und unterhalten werden. Wir möchten unseren Spieler:innen einen niederschwelligen Zugang zu fachlich anspruchsvollen Themen bieten und sie gleichzeitig für Quantentechnologien begeistern. Diese Brücke zu schlagen ist keineswegs einfach, und die jetzige Idee ist nicht auf eine einzige Brainstorming-Session zurückzuführen. Wir haben uns im Plenum oft über vielerlei Umsetzungsmöglichkeiten ausgetauscht, Prototypen entwickelt, Beispiellevel aufgebaut und gemeinsam Ideen weiterentwickelt. Jeder aus dem Verbund hat einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, sodass das wunderbare Produkt entstanden ist, das wir auf der „Quantum Effects” vorstellen werden.
GALaQSci ist mehr als ein klassisches Bildungsprojekt – was macht Qookies als Spiel so besonders? Was unterscheidet euer Spiel, das ja auch durch KI und AR ergänzt wird, von klassischen Bildungsansätzen?
Qookies ist das erste KI-basierte Quantenspiel mit einer unterhaltsamen Geschichte, das fachliches Wissen vermittelt und mit didaktischer Expertise entstanden ist. Mein persönliches Highlight ist unsere liebevoll gestaltete und sympathische KI-Hauptfigur, die gemeinsam mit dem/der Spieler:in lernt, Lösungswege vorschlägt, unterstützend in das Spielgeschehen eingreift und physikalische Zusammenhänge erklärt. Die zusätzliche AR-Erfahrung, die sich derzeit noch in Entwicklung befindet, wird sogar noch praxisnaher gestaltet. Unsere Hypothese ist, dass wir das Verständnis von Quantenphänomenen durch den haptischen Zugang noch einmal deutlich steigern können. Dazu planen wir, einen virtuellen optischen Tisch mit realen Objekten aufzubauen, an dem man dann arbeiten kann. Eines vorweg: Ich habe nichts gegen klassische Lehrbücher, ganz im Gegenteil. Ich lese durchschnittlich einmal pro Monat ein Fachbuch zu einem bestimmten Thema und lerne dabei ständig Neues dazu. Bücher oder Frontalunterricht haben jedoch den Nachteil, dass die Lernenden meist passiv bleiben. Bei Qookies ist jede Aktion eine physikalische Entdeckung, die in eine spannende Geschichte eingebettet ist und mit 8-Bit-Musik untermalt wird.
Ihr arbeitet mit hochkomplexen Themen wie Quantencomputing, Quantenkommunikation oder -sensorik. Wie schafft ihr es, diese Inhalte spielerisch verständlich und gleichzeitig korrekt zu vermitteln?
Dieser Übertragungsprozess von der Wissenschaft über die Didaktik hin zu den Spielmechaniken, die leicht verständlich und von der KI gelernt werden können sollen, stellt in der Tat eine extreme Herausforderung dar. Unser Team aus Physikdidaktiker:innen (LMU) und Quantenwissenschaftler:innen (LMU, TUM, MPQ, MCQST und MQV) definiert für jede Spielmechanik ein „Fakten-Fundament“. So gewährleisten wir, dass die internen Spielmechaniken physikalisch akkurat sind. Gleichzeitig übersetzen wir Formeln und Gleichungen in intuitive Grafiken und Gameplay-Mechaniken. Mit folgenden Inhalten können die Spieler nach jetzigem Stand rechnen: Bits und Qubits, Darstellung durch die Blochkugel, Quanteneffekte wie Fluoreszenz von NV-Zentren und deren Manipulation durch Mikrowellen, grundlegende Quantengatter und viele weitere Komponenten.
Um Euch ein wenig Kontext zu geben: Alle Spielmechaniken und inhaltlichen Details werden von den Wissenschaftler:innen geprüft und hinterfragt. So hatten wir beispielsweise einige Vor- und Nachteile über die Einführung der Blochkugel als Lernmodell diskutiert. Diese Diskussionen sind wirklich einmalig und für alle Beteiligten äußerst hilfreich. Auf der anderen Seite kostet uns die Ausarbeitung der Details sehr viel Zeit. So haben wir beispielsweise für den ersten Entwurf eines Game Designs einige Monate gebraucht. Für uns als Studio ist das äußerst ungewöhnlich. Auf der einen Seite haben wir in Qookies das Privileg, dass wir ausgezeichnete Wissenschaftler:innen an Bord haben, die noch viel tiefer ins Detail gehen möchten, aber gleichzeitig viele wirklich spannende Themen der Gegenwart behandeln möchten. Zusätzlich haben wir leidenschaftliche Didaktiker:innen, die sicherstellen möchten, dass das Wissen wirklich vermittelt wird. Auf der anderen Seite haben wir ein festgelegtes Budget, mit dem wir eine komplette Spieleproduktion umsetzen möchten. Deswegen müssen wir viele Entscheidungen hinsichtlich der Inhalte und der Tiefe treffen und dabei unsere übergeordnete Mission im Auge behalten.
GALaQSci ist ein interdisziplinäres Projekt mit Beteiligung aus Forschung, Bildung und Industrie. Wie läuft die Zusammenarbeit – und welche Rolle spielt euer Studio dabei?
Wir arbeiten mit leichtgewichtigen Sprints, Verbundstreffen und fachspezifischen One-on-one-Meetings. Auf technischer Seite nutzen wir die industrieüblichen GitLab-Tools und unser internes OKR-System (www.okr-app.com). Normalerweise definieren Wissenschaftler:innen und Didaktiker:innen zunächst Lernziele, die wir anschließend in Gameplay-Konzepte und Prototypen übersetzen. Die Feedback-Loops zwischen allen Partnern (LMU, TUM, MPQ, MCQST, Quantum Gaming, MQV und Studio Merkas) sorgen dafür, dass sowohl die fachliche Korrektheit als auch der Spielfluss erhalten bleiben. Quantum Gaming implementiert und integriert die KI-Modelle (LLM und Aktionsmodell), wertet die Daten aus, kümmert sich um das Release- und Platform management, Serverstrukturen als auch um einen Großteil des Codings und technischer Direktion. Studio Merkas hingegen steuert dabei unter anderem die kreative Umsetzung, Spielmechaniken, Musik, UX-Design und technische Architektur bei. Beispielsweise wurde der Hauptcharakter “Yuki” und sämtliche Objekte im Spiel von unseren Künstler:innen im Team erschaffen.
Was braucht es, damit ein solches Projekt von der ersten Idee bis zum Prototypen funktioniert?
Dafür gibt es viele Antworten. Ein verständnisvolles Miteinander ist sicherlich sehr wichtig. Wir erschaffen ein großartiges Spiel und versuchen, etwas Anspruchsvolles auf unterhaltsame und einfache Weise zu verpacken. Dafür müssen wir uns auf fachfremde Bereiche einlassen und unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen. Hilfreich sind dabei klare Kommunikationsstrukturen, ein gemeinsames Vokabular zur Beschreibung von Spiel- und Lernzielen sowie regelmäßige Live-Demos, um frühzeitig Kurskorrekturen vorzunehmen. Ferner ist Kritikfähigkeit eine wichtige Fähigkeit, da wir die Ideen im Plenum besprechen und offen hinterfragen. Die eigenen Ideen oder Vorschläge werden offen durchdacht und können verworfen oder umgeplant werden. Dank unserer offenen Kultur, Teamfähigkeit und starken Ausrichtung auf unsere übergeordnete Mission konnten wir die ersten Validierungen erfolgreich bestehen.
Ein zentrales Element von GALaQSci ist die KI, die Spielende individuell begleitet. Welche Chancen siehst du im Einsatz von KI für das Lernen – und vielleicht auch für andere Anwendungsbereiche?
Wir stehen noch ganz am Anfang einer großartigen Technologie. Mein sehr geschätzter Kollege Dr. Stefan Küchemann zeigt mit seinem Startup „Ease of Mind“ und dem Produkt “Leap Pro” einige spannende Möglichkeiten für den Einsatz der KI im Klassenzimmer. Wir hingegen nutzen die brAIn engine von Quantum Gaming und betten diese aktiv in Spielmechaniken ein.
In der Praxis sieht es folgendermaßen aus: Im Mittelpunkt des Spiels steht Yuki, eine sympathische KI-Mitspielerin, die zusammen mit den Spielenden etwas über die Quantenwissenschaft lernt. In der handlungsorientierten Zusammenarbeit beobachten sowohl der/die Spieler:in als auch Yuki die Handlungen und Problemlösungsmethoden des anderen, erleben dieselben Spielereignisse und Erzählungen, führen Gespräche über aktuelle Probleme und helfen sich gegenseitig. Infolgedessen passt Yuki ihre Fähigkeiten, ihr Verhalten und ihre Sprache auf der Grundlage des Fortschritts des/der jeweiligen Spielers:in und seines/ihres individuellen Spielverhaltens an und schafft so eine einzigartige, kollaborative Lernerfahrung. Der duale Lernprozess vertieft die Auseinandersetzung mit Quantenkonzepten durch kooperatives und gemeinschaftliches Lernen.
Ein wesentlicher Schwerpunkt des Spieldesigns liegt in der Herausforderung, wissenschaftliche Korrektheit mit der Notwendigkeit, komplexe Themen zugänglich zu machen, in Einklang zu bringen. Das Erreichen der Lernziele wird im Laufe des Projekts in mehreren Studien evaluiert. Die erste Studie hat gezeigt, dass das KI-Handlungsmodell die kognitive Belastung der Spieler:innen statistisch signifikant reduzieren kann. Überhaupt sehe ich in der Kombination aus KI-Assistenz und Gamification eine Blaupause für nahezu jede MINT-Disziplin – von Molekularbiologie bis zur Robotik. Lernende werden zu aktiven Teilnehmer:innen, nicht nur zu Konsument:innen von Inhalten.
Ihr testet eure Konzepte wissenschaftlich – mit Eyetracking, Befragungen und Lerneffekt-Studien. Was habt ihr bisher über die Wirksamkeit des Spiels herausfinden?
In einer ersten Erhebung haben wir festgestellt, dass sowohl Schülerinnen und Schüler, als auch Studierende und Menschen aus der breiten Öffentlichkeit nach einer Spieldauer von etwa 20 min Grundlagen von Quantenphänomene merklich besser verstehen. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass die Spielenden durch die Aufforderung des KI Charakters zu Aktionen weniger kognitiven Aufwand bei gleichem Lernzuwachs erfahren. Das ist ein spannendes Ergebnis und deutet an, welche Möglichkeiten KI beim Spielen und spielbasierten Lernen haben kann.
Ja, wir haben ebenfalls Eye Tracking Daten der Spielenden aufgezeichnet, aber die Auswertungen dazu laufen noch. In ersten Eyetracking Sessions an Schüler:innen und Studierenden zeigte sich, dass interaktive AR Szenen die Aufmerksamkeit um bis zu 35 % steigern im Vergleich zu klassischem Video-Input. Befragungen ergaben, dass 90 % der Testspieler:innen komplexe Quantenkonzepte wie Superposition und Verschränkung nach zwei Sessions intuitiv beschreiben konnten. Die geplanten Lerneffekt Studien laufen noch, aber erste Indikatoren deuten auf signifikant bessere Merkwiederholungs Scores im Vergleich zu rein textbasierten Lernmaterialien hin. Ferner haben wir noch weitere Studien die sich noch in der Publikation befinden und den Einfluss der KI auf die kognitive Auslastung erforschen.
Die Quantum Effects bringt Industrie, Start-ups und Wissenschaft zusammen. Was kann GALaQSci – oder auch euer Studio – zur Quanten-Community beitragen?
GALaQSci schafft eine breite Basis. Schüler:innen, Student:innen oder einfach interessierte Spieler:innen lernen Prinzipien und Potenziale von Quantentechnologien kennen, vertiefen ihr neues Interessengebiet und werden so mögliche Fachkräfte von morgen. Studio Merkas bringt zudem Expertise in der Skalierbarkeit von Learning Apps mit. Wir können helfen, erfolgreiche Pilotprojekte zu Produktions Apps zu machen und so Brücken zwischen Forschungslabors und Märkten zu bauen. Letztlich wollen wir mit Qookies Neugier wecken, Community Dialoge fördern und damit den Weg für die nächste Generation der Quantum Natives ebnen. Für die Industrie hingegen arbeiten wir an den ersten Projektskizzen, um dieses Wissen nachhaltig einzusetzen
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