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Tooling around the world

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Weltweit gut in Form

Internationaler Werkzeug- und Formenbau in Zeiten der Pandemie

Der Blick auf die weltweiten Märkte des Werkzeug- und Formenbaus zeichnet ein vielfarbiges Bild über den Zustand des Industriezweiges. Märkte wie Portugal, Canada oder Südafrika verbinden dabei gemeinsame Herausforderungen aber auch Erfolge und ähnliche Ziele.

Manuel Oliveira ist Generalsekretär von Cefamol, dem portugiesischen Formenbauverband. Im Werkzeug- und Formenbau sind die West-Iberer stark; Portugal klettert in Europa gemeinsam mit Deutschland und Italien als drittgrößte Industrie auf das Siegertreppchen im Märkteranking. Er kennt den Zustand und die Herausforderungen „seiner“ Unternehmen wie kaum ein Zweiter: „Unsere Unternehmen sind nicht einfach nur Lieferanten. Sie kümmern sich vielmehr auch um das Engineering und integrieren ganze Prozesse für Ihre Kunden: Die Palette reicht vom Konzept und Design, Prototyping und additiver Fertigung bis hin zum eigentlichen Werkzeug- und Formenbau und dem Angebot von Testinstallationen und Auftragsproduktionen“, sagt Oliveira. Exemplarisch für viele Nationen in Europa und darüber hinaus benennt er auch die Herausforderungen seiner Branche klar: „Wir sehen uns momentan einem strengen Wettbewerb ausgesetzt und müssen uns in Folge dessen neu, vor allem globaler aufstellen.“

Und Konkurrenz ist nicht seine einzige Sorge mit Blick auf die Märkte: Das Land an der Atlantikküste konzentriert den Werkzeug- und Formenbau fast komplett auf zwei Regionen mit zusammen 515 Unternehmen, die zwar alle ihre sehr internationale Ausrichtung vereint. Doch so divers die belieferten Länder, so sehr hat man sich in den vergangenen Jahrzehnten abhängig gemacht von einer einzelnen Branche: Mit über 70 % konzentrieren sich die Unternehmen vor allem auf die Automobilindustrie als Abnehmer ihrer Produkte. Jetzt, so Oliveira, müssten Antworten gefunden werden auf die Veränderungsprozesse innerhalb der Automobilindustrie: „Wir müssen die Suche nach Nischen-Märkten forcieren, um auch zukünftig erfolgreich zu sein!“

Auswirkungen der Pandemie

Auch in Canada hat die Corona bedingte Flaute in der KFZ-Produktion zu Umsatzeinbußen geführt. Die Pandemie hat Auswirkungen auf praktisch alle Unternehmen gehabt, sagt Robert Cattle von der CTMA, dem kanadischen Verband des Werkzeug- und Formenbaus. Nach seiner Wahrnehmung sei die Situation jedoch derzeit zufriedenstellend. Alle 160 Mitgliedsfirmen hätten weiterarbeiten können. „Um genau zu sein, ist unsere Industrie momentan sogar sehr gut beschäftigt! Zwar gab es einige Sorgenfalten aufgrund der Rückgänge in der Automobilindustrie, doch sind unsere Mitglieder sehr diversifiziert aufgestellt“, ordnet Cattle die derzeitige Situation etwas anders als in Portugal ein. Zu den guten Nachrichten gehörten neben einer robusten Nachfrage aus den USA auch die Produktionsumstellung auf Produkte, die in der Pandemie benötigt werden, wie Hand-Desinfizierer und ähnliches. Auch führten beispielsweise neue Anforderungen der Autobauer dazu, dass mehr Leichtbaumaterialien, Motorblöcke aus Aluminiumguss oder Hochdruck-Werkzeuge nachgefragt würden.

Die Probleme rund um die Versorgungsketten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie scheinen auch den lokalen Unternehmen in Südafrika eher genutzt als geschadet zu haben: „Wir sehen auf Grund von Schwierigkeiten entlang der Supply Chains, dass viele Aufträge, die früher nach Asien gegangen sind, jetzt im Land bleiben. Das ist eine sehr aufregende Entwicklung für uns. Jetzt geht es darum, diese Richtung beizubehalten“, fordert Tapiwa Samanga, Vorsitzender der PTSA (Production Technologies Association of South Africa) mit Blick auf seine Mitglieder. Positiv sei, dass die Betriebe vor Ort auf die Pandemie reagiert und ihr Produktportfolio angepasst hätten: So konnten zum Beispiel bereits nach kurzer Zeit Labor-Handling-Systeme entwickelt und vertrieben werden.

Unterschiedliche Warenströme

Wie unterschiedlich die Nationen aufgestellt sind, zeigt ein Vergleich zwischen Portugal und Südafrika. Portugal gehört, wie bereits erwähnt, zu den Nationen mit einer sehr internationalen Ausrichtung: Mangels Abnehmerindustrie im eigenen Land werden mit 566 Millionen Euro etwa 85 % des Umsatzes mit 84 internationalen Handelspartnern erlöst, vor allem mit Kunden aus der Europäischen Union. Demgegenüber hat der Markt, den der südafrikanische Verband repräsentiert, eine Größe von etwa 1,5 Milliarden US-Dollar – gehorcht aber anderen Gesetzen. So zeichnet sich in der Import-/Export-Struktur ein gänzlich anderes Bild als in Portugal: Benötigte Gussformen werden nur zu etwa 15 % im Inland hergestellt und auch Presswerkzeuge für die südafrikanische Industrie müssen zu 90 % importiert werden. Gerade bei den großen Werkzeugen verlassen sich die Anwender häufig noch auf Werkzeuglieferanten aus dem Ausland.

Einen Blick auf die Situation des Formenbaus in Nordamerika zeigt wiederum ein anderes Bild, nämlich eine enge nachbarschaftliche Verbindung zweier Länder. So eng, dass dort die engen Verflechtungen der beiden großen nordamerikanischen Wirtschaften für Sorgenfalten in der Krise sorgten. Ingenieure und Techniker konnten aufgrund der geschlossenen Grenzen nicht zu Kunden und Partnern reisen. Dennoch ist die Nachfrage robust, wie es scheint: So zeigt beispielsweise der monatlich berechnete Gardner-Index für die Branche nach dem Absturz im vergangenen Jahr einen Wert von 62,3 und hat damit nicht nur das Vor-Krisen-Niveau erreicht, sondern schreibt momentan sogar ein Allzeit-Hoch. Das kann als deutliches Zeichen gewertet werden, dass die Herausforderungen auf diesem Markt im restlichen Jahr 2021 gut zu handhaben sein dürften. Einzig die als Folge der Krise gestiegenen Rohstoffpreise für Stahl machten einen deutlichen Satz nach oben – er vervierfachte sich im Verlauf des vergangenen halben Jahres – und schüttet so etwas Wasser in den Wein.

Den Weg in der Digitalisierung finden

Ob Deutschland, Italien, Canada oder Portugal: Aspekte der Digitalisierung spielen in allen Märkten momentan eine große Rolle. Beispiel Portugal: „Wir arbeiten daran, Organisation und Prozesse stärker digital aufzustellen. Wir gehen bei der Digitalisierung auch im Bereich des Wissensmanagements sowie in Forschung und Entwicklung voran“, sagt Oliveira, warnt aber gleichzeitig vor den damit verbundenen neuen Risiken in Bezug auf die Cybersicherheit.

Nachhaltigkeit definiert Oliveira hingegen nicht nur unter Material- und Umweltaspekten. Ihm ist wichtig zu betonen, dass auch der Finanzbereich und neue Geschäftsmodelle betrachtet werden müssten, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Das alles ginge jedoch nicht ohne die Menschen im Blick zu haben: Portugiesische Unternehmen müssten sich darauf konzentrieren, neue Kompetenzen aufzubauen und alte zu behalten und so insgesamt attraktiv für junge Mitarbeiter zu werden.

Auch beim einzigen afrikanischen Mitglied des internationalen Werkzeugbauverbands ISTMA (International Special Tooling and Machining Association) steht die Ausbildung ganz weit oben auf der Tagesordnung. So arbeitet die PTSA mit ihren 65 Mitgliedern mit einer Reihe weiterer Unternehmen und Verbände in Südafrika zusammen. Die Südafrikaner betreiben beispielsweise in diesem Zusammenhang im Rahmen eines landesweiten Ausbildungsprogramms drei vollständig ausgestattete Trainings- und Testwerkstätten für angehende Werkzeugmacher. „Um eine internationale Perspektive zu gewinnen, kooperieren unsere Ausbildungsstätten darüber hinaus mit Instituten in Deutschland und in den USA. Das erhöht auf längere Sicht unsere Wettbewerbsfähigkeit in Südafrika“, blickt Samanga in die Zukunft. Ein Ziel der Nachwuchsförderung, das so auch für die anderen Märkte gelten dürfte, damit die weltweite Werkzeug- und Formenbau-Branche auch zukünftig Erfolgsgeschichten schreiben kann.

Referierende

Moderation: Prof. Dr. Thomas Seul, VDWF, und Bob Williamson, ISTMA World

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