Virtual Innovation Day

SCHOOLTOOL - Aus- und Weiterbildung neu gedacht!

Das Thema Nachwuchs stellt eines der Schlüsselthemen für die Zukunftsfähigkeit des Werkzeug-, Modell- und Formenbau in Europa dar. Mit dem ganzheitlich und konzeptionell aufeinander abgestimmten Lehr- und Lernkonzept SCHOOLTOOL werden neue Wege aufgezeigt, wie Aus- und Weiterbildung  im Werkzeugbau in Zukunft aussehen und das Berufsbild attraktiv gelehrt werden kann. Es verbindet die Bereiche handwerklicher, akademischer und betrieblicher Ausbildung. Ein „Augenöffner“ für alle, die mit dem Thema Aus- und Weiterbildung zu tun haben.

Zusammenarbeit ohne Haken und Ösen

Neue Ausbildungsmethoden für den Werkzeug-, Modell- und Formenbau

Erst der Blick in ein Werkzeug hinein offenbart seine Faszination. Kavitäten, Kanäle oder Auswerfer müssen sichtbar gemacht werden, damit in Lehre und Ausbildung ein höheres Niveau erreicht werden kann. Dieser Symbiose aus Technik und Didaktik haben sich Experten verschrieben und das Projekt SCHOOLTOOL gegründet.

Gute Kunststoffteile entstehen immer genau dann, wenn Bauteilentwickler, Werkzeugmacher und Kunststoffspritzer in ihren Hauptdisziplinen abgestimmt miteinander zusammenarbeiten“. Diese Aussage vom Reutlinger Hochschulprofessor Steffen Ritter mag wie eine Binsenweisheit klingen, wird aber angesichts steigender Komplexität in jeder der genannten Disziplinen sowie einem spürbaren Fachkräftemangel in Deutschland zukünftig zu einem noch wesentlicheren Faktor im weltweiten Wettbewerb der Standorte werden.

Damit weniger Projekte schief gehen, weil es an den Schnittstellen zwischen den am Produktentstehungsprozess beteiligten Fachleuten hakt, „müssen sich Konstrukteure, Werkzeugmacher und Spritzgießer auf Augenhöhe begegnen“, fordert Ritter. Als Wissenschaftler hat er im Austausch mit Praktikern aus der Branche eine neue Lernumgebung namens SCHOOLTOOL für den Spritzgieß-Werkzeugbau aufgebaut.

SCHOOLTOOL ist ein modulares Lehr- und Lernkonzept, das sowohl die handwerkliche Ausbildung als auch die akademische Ingenieursausbildung verbindet. Hoch-, Berufsschulen und die betriebliche Weiterbildung sollen es nutzen, um die zukünftigen Experten für Formteil-Spritzgießwerkzeuge, Formteilentwickler und Spritzgießer auf ihre Aufgaben und ein Verständnis angrenzender Disziplinen vorzubereiten. Vorläufer des Konzeptes war der sogenannte „Polyman“, ein anschauliches Lernbauteil für spritzgießgerechte Bauteilgestaltung, an dem Ritter bereits vor einigen Jahren maßgeblich beteiligt war.

Voller Funktionen und doch handlich

Doch worin besteht überhaupt die Herausforderung, intensiv und praxisorientiert auszubilden? „Selbst die relativ kleinen Spritzgießwerkzeuge in meinem Hochschultechnikum sind wahnsinnig unhandlich. Sie wiegen schnell 100 kg und mehr“, erklärt Ritter den Grund, warum es nicht so einfach ist, am realen Bauteil Zusammenhänge zu erklären. „Ganz zu schweigen von Geheimhaltungserklärungen und sonstigen Einschränkungen Wissen zu teilen.“

Das neue Konzept nun besteht aus einem Werkzeugkoffer, der ein sehr kompaktes und voll funktionsfähiges Spritzgießwerkzeug enthält. Dabei ist Ritter wichtig zu betonen, dass es nicht nur um das handliche Zeigen geht, sondern, dass mit diesem Schulungswerkzeug eine ganze Projektlandschaft verknüpft ist.  „Wir bilden nahezu alle für die industrielle Produktion relevanten Themenstellungen ab“, begegnet Ritter Einschätzungen, das 96 x 126 mm große Werkzeug sei lediglich ein Spielzeug.

Auch die verwendeten Werkzeuge werden mit der Zeit vielfältiger. Nicht alle Grundtypen und Spezialthemen im Lehrbaukasten sind real ausgeführt, einige haben sich aber bereits im Technikumsbetrieb bewährt: vom Heißkanalwerkzeug und einem Schrägauswerferwerkzeug bis hin zu einem Faltkernwerkzeug. Und der Anteil der realen Komponenten wächst stetig: Neben Werkzeuggrundtypen kommen Spezialthemen hinzu. Beispiel ist ein Sensorwerkzeug: Das archetypisch gebaute Werkzeug enthält Sensorik wie einen direkt und einen indirekt messenden Sensor sowie einen Messfühler. Realisiert wurde dieser kleine Spezialist in Kooperation mit den Unternehmen Kistler und Stolz & Seng. Solch ein Werkzeug wird neben der Ausbildung auch zu Forschungs- und Untersuchungszwecken genutzt.

Aktive Beteiligung als Garant für den Erfolg

SCHOOLTOOL insgesamt soll lernförderliche Rahmenbedingungen herstellen, indem die Lernenden aktiv beteiligt werden. Über Projekte, die sie aktiv bearbeiten, sollen sie letztendlich befähigt werden, komplexe Zusammenhänge umzusetzen. So ergebe sich laut Ritter der beste Lerneffekt. Mehr als 4.000 Stunden Arbeit stecken bislang im Ökosystem SCHOOLTOOL, das neben dem Koffer mit dem realen Werkzeug viele weitere Elemente enthält: generische CAD-Daten, eine technische Dokumentation, eine Konstruktionscheckliste und weitere Lernmittel wie Aufgaben, Poster oder Anleitungen. Selbst das Lernkartenspiel „mouldmaker the game“ ist in diesem Zusammenhang entstanden.

Ritter betont den praktischen Nutzen speziell auch des Systems SCHOOLTOOL HC, wobei die Abkürzung für „Hand Crafted“, also „handgemacht“ steht. Grundbearbeitungsschritte ohne den Einsatz einer CNC-Maschine sind Teil der Basisausbildung dieses Ansatzes. Die klassischen Bearbeitungen wie Sägen, Schleifen, Bohren oder Fräsen, werden hier erlernt. Im vollständig ausgearbeiteten Bauprojekt werden den Auszubildenden vier zu fertigende Bauteile angeboten. So entstehen realistisch durchzuführende, kostengünstige und vor allem reale Projekte in der Spritzguss- und Werkzeugbauausbildung.

„Selbstverständlich kann aus unserem Baukasten auch jeder Ausbilder nur einzelne Aspekte nutzen oder abändern und so seine individuelle Schulung aufbauen. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt“, erklärt Ritter die Flexibilität der SCHOOLTOOL-Systematik. „Die von uns kombinierten Methoden unterstützen den Dreiklang aus Befähigen, Begeistern und Beteiligen“, ergänzt Ritter. Der Methodenmix komme somit auch unterschiedlichen Lernenden entgegen. Sein Schlagwort lautet hier Blended Learning. „Uns zeichnet aus, dass wir eine spannende Visualisierung mitbringen“, denn erst „der Blick in das Werkzeug hinein offenbart seine Faszination“, schwärmt er.

Das Mouldmaker-Kartenspiel ist da!

«Mouldmaker – The Game»: Dieses Kartenspiel wurde von Prof. Steffen Ritter und Simon Horrer an der Hochschule Reutlingen entwickelt und in Partnerschaft mit der Moulding Expo und dem VDWF umgesetzt. Es hilft Studierenden und Auszubildenden dabei, die Grundlagen des Werkzeugbaus kennenzulernen und auf spielerische Art und Weise zu festigen. Es eignet sich aber auch hervorragend für lange Spieleabende aller Werkzeug- und Formenbau-Interessierten. Das Mouldmaker-Kartenspiel sowie hilfreiche Erklärvideos dazu sind jetzt im VDWF-Shop erhältlich.

Weitere Informationen zum SCHOOLTOOL Lehr- und Lernkonzept unter www.schooltool.training.

Referierende

  • Prof. Dr.-Ing. Steffen Ritter, Hochschule Reutlingen

ModerationPeter Gärtner, Bundesverband Modell- und Formenbau (BVMF)

Sponsoren