22.07.2021 - 11:36

Flexibler Faserlaser für die flinke Materialbearbeitung

Laser-Experten aus Sachsen und Israel erproben derzeit gemeinsam am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden einen neuartigen Laser für den Industrieeinsatz.

Das System basiert auf der für Hochleistungslaser noch jungen Methode des „Coherent Beam Combinings“ (CBC). Der 13-Kilowatt-Laser kann im laufenden Betrieb besonders schnell verschiedene Energieverteilungsmuster erzeugen und dadurch selbst anspruchsvolle Hightech-Materialien sehr präzise und schnell bearbeiten. Die Fraunhofer-Forscher wollen die innovative Lasertechnik aus Israel demnächst auch weltweit Unternehmen zur Verfügung stellen. Innerhalb eines europäischen Netzwerkprojekts untersucht das Fraunhofer IWS bereits mit dem Laserhersteller Civan Lasers und A. Kotliar Laser Welding Solutions die um ein Tausendfaches beschleunigte Strahlformung erstmals für das Additive Manufacturing.

Der Laser „Dynamic Beam“ aus Jerusalem ist inzwischen im Fraunhofer IWS in Dresden installiert. Das Institut ist damit die weltweit erste Forschungseinrichtung, die eine solche Laserlösung im Einsatz hat. Gemeinsam mit dem Kooperationspartner Civan Lasers erhoffen sich die Forscher von der Erprobung in Sachsen nicht zuletzt neue Anwendungsszenarien. »Dieser Laser wird die Grenzen der Materialbearbeitung, zum Beispiel in der Medizintechnik sowie in der Luft- und Raumfahrt weiter hinausschieben«, prognostiziert Dr. Andreas Wetzig, der am Fraunhofer IWS das Technologiefeld Trennen und Fügen leitet. Er verweist dabei auf das sächsisch-israelische Forschungsprojekt „ShapeAM“ im Rahmen des europäischen Netzwerkprogramms »M-era.Net«, in dem dieser neue Laser eine zentrale Rolle spielen wird und das im Juli 2021 gestartet ist.

Tausendmal schneller
Im Einsatz ist dabei das Coherent Beam Combining, was sich mit „Kohärente Strahlkombination“ übersetzen lässt. Denn der Dynamic Beam Faserlaser vom israelischen Unternehmen Civan Advanced Technologies kombiniert Dutzende Einzelstrahlen zu einem leistungsstarken Laserstrahl mit hoher Qualität. Durch kleine Phasenverschiebungen (Optical Phased Array = OPA) der Wellentäler und -berge in den Teilstrahlen kann der Laser rasch ganz verschiedene Energieverteilungsmuster im resultierenden Bearbeitungs-Laserstrahl erzeugen: Während ein klassischer Laser die meiste Energie nur in der Strahlmitte freisetzt, kann das System aus Israel auf den Werkstücken beispielsweise Energiemuster in Form eines Rings, einer Acht oder eines Hufeisens erzeugen. Prinzipiell war dies zwar auch früher schon mit strahlablenkenden Optiken oder schnell schwingenden Spiegeln möglich. Doch selbst die schnellsten Schwingspiegel brauchen noch Millisekunden, um die Energiemuster im Strahl neu auszurichten. Der Dynamic Beam Faserlaser schafft das dagegen Tausendmal schneller, binnen Mikrosekunden.

Diese Geschwindigkeit macht es erstmals möglich, die dynamische Strahlformung für die additive Fertigung von Metallen einzusetzen. Im Rahmen von „ShapeAM“ testen die Forscher das neue CIVAN-System, um verbesserte Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Konkret geht es um die additive Fertigung von Titan- und Aluminium-Legierungen, wie sie für Raumfahrtbauteile, Implantate und Leichtbau-Komponenten für die Mobilität gebraucht werden. Dabei wollen die Partner die dynamische Strahlformung einsetzen, um Defekte zu eliminieren und somit eine höhere Qualität der 3D-Druckergebnisse zu erzielen. Dr. Eyal Shekel, CEO von Civan, freut sich auf das Projekt: „ShapeAM macht es uns möglich, die Vorteile des Dynamic-Beam-Shapings in der additiven Fertigung von Metallen zu explorieren.« Dr. Elena Lopez, Abteilungsleiterin Additive Fertigung am Fraunhofer IWS, fügt hinzu: »Wir planen, neuartige Strahlformen und Steuerungsfrequenzen zu verwenden, die mit anderen Methoden nicht erreichbar sind, um die Herausforderungen bei rissempfindlichen Materialien zu überwinden.“

Reger Austausch zwischen Dresden und Jerusalem
Aus dem gemeinsamen Projekt soll sich ein fruchtbarer wissenschaftlicher und personeller Austausch zwischen Israel und Sachsen entwickeln: Das Fraunhofer IWS wird die Testergebnisse nach Jerusalem weiterleiten. Auch ist angedacht, zeitweise Austauschwissenschaftler nach Israel zu entsenden. Umgekehrt werden die Civan-Experten voraussichtlich im Laserlabor in Dresden eigene Versuche durchführen.
Die Tests am Dresdner Institut sollen die Möglichkeiten und Grenzen des Dynamic Beam Lasers ermitteln. Vorgesehen sind zunächst Basisversuche mit verschiedenen Strahlprofilen, Werkstoffen und Verfahren. Dann testen die Forscher konkrete Anwendungen aus, beispielsweise, wie gut das System diverse Werkstücke aus sonst schwer bearbeitbaren Werkstoffen und Werkstoffverbünden trennen, fügen oder additiv fertigen kann.

„Dynamic Beam“ verdoppelt Arbeitstempo
Schon absehbar ist, dass sich mit dem neuen Laser die Schmelzbad-Dynamik bei vielen additiven und Fügeprozessen schneller und präziser steuern lässt – und dies nicht nur in der Fläche, sondern auch in der Tiefe. Auch beim Laserschneiden verspricht sich das Fraunhofer IWS Vorteile in Hinblick auf gratfreie Schnitte bei hoher Kantenqualität – bei doppeltem Arbeitstempo im Vergleich zu herkömmlichen Faserlasern.
Ob der neue Laser diese Erwartungen auch in der Praxis erfüllt, wird sich in der Erprobungsphase in Dresden zeigen. Die Qualitäts- und Geschwindigkeitsvorteile, die sich bereits abzeichnen, machen die Technik jedenfalls für den Einsatz in der metallverarbeitenden Industrie, der Medizintechnik und Elektromobilität sowie in der Luft- und Raumfahrtindustrie hochinteressant.

https://www.iws.fraunhofer.de/ 
 

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