Alexander Herrmann über Gastro-Zukunft, Personal und Perspektiven
„Nicht jammern, sondern umdenken“ – Alexander Herrmann über die Zukunft der Gastronomie
Der Sternekoch Alexander Herrmann macht kein Geheimnis daraus, dass die Gastronomiebranche vor großen Herausforderungen steht. Besonders der Personalmangel beschäftigt ihn: „Das ist die größte Aufgabe, die wir gerade haben.“ Bereits seit einigen Jahren würden viele Beschäftigte, insbesondere aus dem Servicebereich, der Branche den Rücken kehren. Doch Herrmann sieht auch eine realistische Chance, dass viele zurückkehren – denn, so sagt er mit Überzeugung: „Wer einmal in der Gastro tätig war, hat Blut geleckt.“
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, setzt Herrmann auf eine klare Fokussierung. Á la carte-Angebote müssen sehr gut geplant sein, deshalb bietet er festgelegte Menüs an. Das reduziert die Kosten und steigert auch die Qualität: „Perfektion lässt sich so besser erreichen.“ Und Auszeichnungen, wie Michelin-Sterne, werden damit ebenfalls wahrscheinlicher. Die gerade erfolgte, erneute Auszeichnung seines Restaurants Aura mit zwei Michelin-Sternen beweist es. Ein Stern sei eine regionale Auszeichnung mit nationaler Vergleichbarkeit, zwei Sterne stünden bereits für eine unverwechselbare Handschrift. Trotzdem betont er: „Auszeichnung hin oder her – eine herausragende Küche ist eine herausragende Küche.“
Aus der Reihe der Restaurantkritikerinnen und -kritiker sind die Damen und Herrn vom Michelin die, die aus seiner Sicht objektiv arbeiten und den Dialog suchen. Einige andere Kritikerinnen und Kritiker seien hingegen leider eher darauf ausgelegt, sich selbst in Szene zu setzen.
Das Bild der Branche muss sich ändern
Ein weiterer zentraler Punkt für Herrmann ist die Führungs- und Unternehmenskultur in der Gastronomie. Die Vorstellung von cholerischen Küchenchefs hält er für überholt – auch wenn sie einst Realität war: „Früher galten die Lauten als die Guten. Das war ein kollektives Versagen – sowohl von denen, die so handelten, als auch von denen, die das mitgemacht haben.“ Heute sei ein respektvoller Umgang unerlässlich, um gutes Personal zu halten und um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Branche zu gewinnen.
Das Bild der Gastronomie müsse dringend korrigiert werden. „Wenn es immer nur heißt, dass die Arbeitsbedingungen schlecht sind, was sie definitiv so nicht mehr sind, wundert es mich nicht, dass keiner mehr in der Branche arbeiten möchte.“ Die Gastronomie ist sinnstiftend, erfüllend und kreativ – wenn die Rahmenbedingungen stimmen – und dafür sorgen wir.
Nachhaltigkeit – pragmatisch und kreativ
Trotz aller Herausforderungen bleibt Herrmann seiner Linie treu: Nachhaltigkeit ist für ihn kein bloßes Schlagwort, sondern gelebte Praxis – auch, wenn nicht alles möglich ist. „Ich könnte eine Solaranlage aufs Dach setzen oder eine Holzschnitzelheizung installieren, aber unser Restaurant ist in einem historischen Gebäude. Das geht schlichtweg nicht.“
Stattdessen setzt er auf regionale Produkte, vollständige Verarbeitung von Lebensmitteln und innovative Alternativen: „Statt Zitrone verwenden wir eingelegte Fichtennadeln. Unsere Sojasauce stellen wir selbst her, mit Sojabohnen aus der Region.“ Auch Kurkuma und Ingwer bezieht er inzwischen aus Bamberg. Etwa 93 Prozent seiner Waren stammen aus der näheren Umgebung – was nicht nur die Umwelt, sondern auch die Qualität unterstützt. Fisch und Fleisch werden reduziert, Menüs zusammengefasst – ganz im Sinne von Effizienz, Frische und Nachhaltigkeit. Auch das belohnte der Guide Michelin kürzlich mit einem Grünen Michelin Stern – der Auszeichnung für ein außergewöhnliches Engagement für mehr Nachhaltigkeit in der Gastronomie.
Neue Generation, neue Werte
Die heutige Generation, so Alexander Herrmann, stellt andere Fragen – und das sei eine große Chance. Sie sucht nach Sinn, nach Wertschätzung, nach echten Aufgaben. „Wenn wir gut mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen und nachhaltig arbeiten, können wir diese Menschen für uns gewinnen.“ Die Gastronomie könne ein Ort sein, an dem man Menschen glücklich macht, gleichermaßen künstlerisch wie handwerklich, und dabei auch noch etwas für die Region und Gesellschaft leistet.
Dafür spielt die Kommunikation eine zentrale Rolle: „Das Konzept muss ich richtig kommunizieren.“ Es gehe um Würde, Respekt und den höheren Wert des Berufs. Herrmann fordert, Gastronomie nicht länger nur unter wirtschaftlichen Zwängen zu betrachten, sondern als gesellschaftlich wertvolle Leistung.
Zwischen Idealismus und Realität
Natürlich verschließt Herrmann die Augen nicht vor den rechtlichen Schwierigkeiten. Das Arbeitszeitgesetz ist schwer mit der Realität in der Gastronomie vereinbar: „Laut Gesetz dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur acht Stunden arbeiten. Das ist bei uns in Vollzeit nicht einfach realisierbar.“ Bei Veranstaltungen wie Hochzeiten brauche man zwei Schichten – ein organisatorischer und rechtlicher Balanceakt. Trotzdem bleibt Herrmann optimistisch – auch, weil er gelernt hat, flexibel zu bleiben und nach vorne zu gehen.
Die Messe als Ort der Inspiration
Abschließend beschreibt Herrmann, was Messen für ihn bedeuten: „Raus aus dem Alltag, Aktion verändert Perspektive, offen bleiben und Menschen treffen.“ Der persönliche Austausch, das Anfassen und Ausprobieren neuer Produkte sind für ihn wichtige Punkte, denn Kultur brauche seiner Meinung nach echte Nähe. Das könne keine Internetplattform ersetzen. „Nach der Messe geht man energiegeladen nach Hause“, sagt er. Für ihn sind Messen deshalb ein einzigartiger Ort des Informationstransports und der Begegnung.
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Fazit
Alexander Herrmann steht wie kaum ein anderer für die Verbindung von kulinarischer Exzellenz, unternehmerischem Denken und gesellschaftlicher Verantwortung. In seinem Blick auf die Gastronomie geht es nicht nur um Genuss, sondern auch um Sinn, Wandel und Zukunft. Er zeigt: Die Branche kann sich neu erfinden – mit Mut, Haltung und Menschlichkeit.
Bildernachweis: Bild 1: Jesper Hilbig / Bild 2-4: Nils Hasenau
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