12.06.2025 - 09:10

ZEROe: Airbus treibt die Brennstoffzelle in die Luft

Airbus verfolgt mit dem ZEROe-Programm das Ziel, ein wasserstoffbetriebenes Verkehrsflugzeug zur Marktreife zu bringen – ein Meilenstein auf dem Weg zur klimaneutralen Luftfahrt. Dabei setzt der Konzern auf Brennstoffzellen, Flüssigwasserstoff und ein globales Infrastrukturökosystem. Im Interview erklärt Isabelle Gradert, Vice President Central Research & Technology bei Airbus, wie weit die Technologie ist, welche Herausforderungen noch bevorstehen – und welche Rolle Foren wie die hy-fcell Conference für die Zukunft der Wasserstoffmobilität spielen.

Frau Gradert, Airbus hat mit dem ZEROe-Projekt ein klares Signal für die Wasserstoff-Zukunft der Luftfahrt gesendet. Wie sehen Sie aktuell den Status quo – sind wir technologisch eher am Anfang oder bereits mittendrin?

Wir befinden uns mitten auf der Reise in Richtung eines wasserstoffbetriebenen Flugzeugs – die technologischen ersten Schritte begannen bereits vor fünf Jahren. Das Projekt ZEROe wurde 2020 ins Leben gerufen, um die Machbarkeit von zwei primären Wasserstoffantriebstechnologien zu untersuchen: Wasserstoffverbrennung und Wasserstoffbrennstoffzellen.

Während unseres diesjährigen Summits im März haben wir ein Update der technologischen Roadmap veröffentlicht. Unser Konzept für ein Wasserstoffflugzeug sieht den Einsatz von vier elektrischen 2-Megawatt-Motoren vor. Jeder dieser Motoren wird von einem eigenen Brennstoffzellensystem mit Energie versorgt, das Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie umwandelt.

Sie setzen bei Ihrem Konzept auf Brennstoffzellen-Elektroantriebe mit flüssigem Wasserstoff. Was waren die entscheidenden Kriterien für diese Antriebsarchitektur – und wo liegen noch die größten Entwicklungs-Herausforderungen?

Richtig, vier Brennstoffzellensysteme würden über zwei Flüssigwasserstofftanks versorgt werden. H2 emittiert kein CO2 (es ist CO2 neutral, sofern es aus erneuerbaren Energien hergestellt wird) und hat das Potential, Nicht-CO2-Emissionen (z. B. Nox) und langlebige Kondensstreifen zu reduzieren. In den letzten fünf Jahren wurden von dem ZEROe-Team mehrere Wasserstoff-Antriebskonzepte untersucht, bevor wir uns für dieses vollelektrische Konzept entschieden haben. Wir sind zuversichtlich, dass es die notwendige Leistungsdichte für ein wasserstoffbetriebenes Verkehrsflugzeug bieten kann. Eine der technischen Herausforderungen liegt dabei zum Beispiel in der Speicherung von flüssigem Wasserstoff unter kryogenen Bedingungen. In den nächsten Jahren werden wir uns auf die Weiterentwicklung der Wasserstoffspeicherung und -verteilung sowie der Antriebssysteme konzentrieren. Anschließend werden wir alle Komponenten als integriertes Gesamtsystem testen.

Ein großes Thema ist die Infrastruktur: Tanklogistik, Sicherheitsanforderungen, Standards. Wie weit sind wir hier realistisch betrachtet – und wie beteiligt sich Airbus an der Entwicklung dieses Ökosystems?

Wasserstoff hat das Potential, eine transformative Energiequelle der Luftfahrt zu sein. Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass die Entwicklung eines Wasserstoff-Ökosystems – einschließlich der Infrastruktur, der Produktion, des Vertriebs und der rechtlichen Rahmenbedingungen – eine große Herausforderung darstellt, die eine globale Zusammenarbeit und Investitionen erfordert. Bisher hat sich das Wasserstoffökosystem der Luftfahrt langsamer entwickelt als ursprünglich von uns antizipiert. Das „Airbus Hydrogen Hubs at Airports“ – Programm zielt darauf ab, den Ausbau des globalen Wasserstoff-Ökosystems zu fördern, um sicherzustellen, dass es wasserstoffbetriebene Flüge unterstützen kann. Mit dieser Initiative bringt Airbus Fluggesellschaften, Flughäfen, Branchenakteure, Energieversorger und Technologieexpertinnen und -experten zusammen, um die wichtigsten Fragen rund um die Herstellung, Speicherung und Verteilung von Wasserstoff zu klären. Derzeit zählen mehr als 220 Flughäfen zu den Partnern des Programms, außerdem zahlreiche Energieversorger und Fluggesellschaften.

Inwiefern spielt die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff eine Rolle für Ihre Zeitpläne – und was erwarten Sie von Politik, um das Henne-Ei-Dilemma aufzulösen?

Das Wasserstoff-Ökosystem steht weiterhin vor großen Herausforderungen und entwickelt sich langsamer als erwartet. Wir haben auf diese Verzögerungen in Verfügbarkeit und Preisentwicklung von grünem Wasserstoff reagiert und wie Anfang des Jahres kommuniziert unsere Planung der Industrialisierung von ZEROe, Airbus‘ wasserstoffbetriebenen Flugzeug, angepasst. Der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft erfordert finanzielle Anreize und einen verlässlichen Rechtsrahmen. Um die Wasserstoffwirtschaft zu fördern, erwarten wir eine Verringerung des Risikos und Förderung der Produktion von H2 für die Luftfahrt, beispielsweise durch den H2Global-Mechanismus, EU-Contracts for Difference (CfD) und Steuergutschriften, die durch Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem finanziert werden könnten.

Sie erwähnten auf dem Airbus Summit 2025, dass vollelektrische Wasserstoffflugzeuge vorrangig für Kurz- und Mittelstrecken ausgelegt sind. Warum ist das so – und welche Rolle sehen Sie langfristig für Wasserstoff gegenüber SAFs (Sustainable Aviation Fuels)?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ein wirtschaftlich tragfähiges Wasserstoffflugzeug auf den Markt zu bringen. Nach unseren Analysen ist ein Flugzeug mit einer Reichweite von 1.000 Nm die Option, die unsere Ziele zur Verringerung der Emissionen des Sektors am besten unterstützt und gleichzeitig wirtschaftlich betreibbar ist.

SAF kann mit bestehender Infrastruktur und der existierenden Flugzeugflotte (aktuell sind unsere Flugzeuge für eine bis zu 50% SAF Beimischung zertifiziert) bereits heute genutzt werden und wird bis 2050 einen größeren Beitrag zum Netto-Null-Ziel der Luftfahrt leisten als ein Wasserstoffflugzeug. Wasserstoff und SAF ergänzen sich auch: So ist nachhaltig hergestellter Wasserstoff zum Beispiel ein wichtiger Bestandteil vieler Herstellungsverfahren für synthetische Kraftstoffe. Letztlich wird es alle Bausteine brauchen, um diesen Meilenstein zu erreichen: Effizienzverbesserungen, SAF, neue Antriebstechnologien (z. B. H2 mittels Brennstoffzellen) und Offsetting.

Was ist Ihre Vision für die Rolle Europas im globalen Wettlauf um die emissionsfreie Luftfahrt – und wie kann die Wasserstoff-Community dazu beitragen, dass Projekte wie ZEROe Realität werden?

Europa stellt ein einzigartiges Innovationsökosystem dar. Zugleich haben wir in Europa ambitionierte Klimaziele, zu denen auch die Luftfahrt ihren Beitrag leisten muss. Airbus, als ein in Europa verwurzeltes Unternehmen, ist stolz darauf, mit unseren Partnern die Entwicklung zur Dekarbonisierung der Luftfahrt voranzutreiben. Dies kann nur gelingen, wenn die gesamte Wasserstoffgemeinschaft an einem Strang zieht. Mit den Hydrogen Hubs fördert Airbus den Aufbau des Ökosystems, fordert aber gleichzeitig auch Maßnahmen der Politik um den Ausbau zu beschleunigen. Über Europa hinaus ist die globale Wasserstoff-Community gefragt um ein nachhaltiges Wasserstoffökosystem aufzubauen.

Auf der hy-fcell Conference wird es auch eine Session zur Wasserstoffmobilität geben – was erwarten Sie von einem solchen Forum und worauf freuen Sie sich besonders?

Die Energie- und Antriebswende lässt Sektoren zusammenwachsen und solche Foren sind gute Gelegenheiten, um den Austausch zwischen verschiedenen Industrien zu beschleunigen. Es ist wichtig, Experten und Entscheider der verschiedenen Partner zusammenzubringen, um Einblicke in Technologien und Forschungsergebnisse zu diskutieren. Wasserstoffbetriebenes Fliegen wird eine wichtige Säule der gesamten Wasserstoffmobilität werden und Impulse für die Luftfahrt der Zukunft geben.

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