„Hybrion im Fokus: Wie Bosch die industrielle Wasserstoffproduktion beschleunigen will“
Bosch hat mit den Hybrion-Stacks eine zentrale Komponente für die PEM-Elektrolyse entwickelt. Welche technologischen Alleinstellungsmerkmale zeichnen Ihre Stack-Lösung aus – insbesondere im Hinblick auf Effizienz, Druckstabilität und Modularität?
Die Hybrion PEM-Elektrolyse-Stacks bilden das Herzstück eines jeden Elektrolyseurs und werden nach höchsten Bosch-Fertigungsstandards hergestellt. Die Modularität der Stacks ermöglicht Anwendungen im Bereich von dezentralen Elektrolyseuren für Gewerbebetriebe bis hin zu zentralen, industriellen Lösungen mit mehreren 100 MW Leistung. Ein Stack besteht aus über 100 Elektrolysezellen und erreicht eine Effizienz von bis zu 50 kWh/kg Wasserstoff. Die PEM-Membran verfügt über eine spezielle Randverstärkung, die Robustheit und Dichtheit erhöht und die Lebensdauer verlängert.
Sie übertragen Erfahrungen aus der Brennstoffzellenentwicklung auf die Wasserstoffproduktion. Welche konkreten Synergien konnten Sie aus Ihrer bisherigen Serienproduktion nutzen – und wie profitieren Ihre Kunden davon?
Unser Vorteil ist insbesondere die langjährige Automotive-Erfahrung, die wir hier einbringen können. So werden Prozesse aus der Fertigung von Diesel- und Benzinsystemen für die Elektrolyse- und Brennstoffzellenherstellung genutzt und weiterentwickelt – zum Beispiel das Laserschweißen aus der Injektorproduktion. Auch unser Know-how in Beschichtungstechnik und Dichtheitsprüfungen können wir nutzen. Unsere Kunden profitieren von unserer Fertigungs- und Industrialisierungskompetenz, die eine schnelle Skalierung in die Großserie ermöglicht.
In welchen Branchen oder Anwendungsszenarien sehen Sie aktuell die größte Nachfrage nach PEM-Elektrolyse – und woran scheitert es noch in der Breite?
Wasserstoff ist für die CO2-Neutralität von Raffinerien, Chemie- und Stahlwerken wichtig. Auch in Verkehr und Gebäuden stoßen rein strombasierte Lösungen an ihre Grenzen. Wir plädieren für einen Technologiemix aus Elektrifizierung und Wasserstofflösungen, insbesondere auch für Nutzfahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge. Die flächendeckende Umsetzung scheitert aktuell unter anderem an einer unzureichenden heimischen Wasserstoffproduktion, die durch den Ausbau erneuerbarer Energien und beschleunigte Genehmigungsverfahren gesteigert werden muss. Eine grundlegende Voraussetzung für einen erfolgreichen Markthochlauf ist ebenfalls der Aufbau einer adäquaten Infrastruktur. Es gilt, geeignete regulatorische und förderpolitische Rahmenbedingungen zu schaffen und weiterzuentwickeln. Zudem sind internationale Partnerschaften und klare Importstrategien erforderlich.
Ihre Stacks produzieren bis zu 23 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde bei 1,25 Megawatt Leistung. Wie gut lässt sich diese Technologie auf industrielle Anwendungen skalieren?
Der Hybrion-Stack ist modular einsetzbar. Er kann in skalierbaren, dezentralen Anlagen mit bis zu 5 MW pro Container integriert werden, die direkt am Ort der Wasserstoffverwendung platziert sind. Ebenso ist die Integration in große Industrieanlagen für die zentrale, großvolumige Wasserstoffproduktion mit Leistungen von mehreren 100 MW bis in den Gigawattbereich möglich.
Sie arbeiten bereits mit zahlreichen Projektpartnern zusammen, etwa Neuman & Esser oder Tecnicas Reunidas. Welche Kriterien sind Ihnen bei diesen Kooperationen wichtig – und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Technologie nahtlos in Gesamtsysteme integriert werden kann?
Wir suchen Partner, die Innovation und Qualität schätzen und bereit sind, gemeinsam neue Wege zu gehen. Um die nahtlose Integration unserer Stacks in Gesamtsysteme zu gewährleisten, setzen wir auf einen engen und transparenten Austausch mit unseren Partnern. Wir stellen detaillierte technische Spezifikationen und Integrationsleitfäden zur Verfügung und bieten umfassende Unterstützung bei der Implementierung unserer Stacks. Gemeinsame Tests und Validierungen stellen sicher, dass alle Komponenten optimal zusammenspielen und die gewünschten Leistungsparameter erreicht werden.
Mit eigenen Lösungen zur Wasseraufbereitung und einem geplanten Wasserstoffkreislauf am Standort Bamberg denken Sie Systemintegration weiter. Wie wichtig ist dieser ganzheitliche Ansatz für Ihre Kunden – und welche Rolle spielt Bosch künftig als Technologiepartner über den Stack hinaus?
Ein ganzheitlicher Ansatz ist entscheidend für die Gesamteffizienz und Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffprojekten. Um weitere Erfahrungen zu sammeln, integrieren wir am Bosch Standort Bamberg eine containerisierte Elektrolyseanlage mit zwei unserer Hybrion PEM-Elektrolyse-Stacks in einen Wasserstoffkreislauf. In diesem Projekt sind wir gleichzeitig Lieferant, Kunde, Integrator und Betreiber. Eine tolle Möglichkeit unser System-Know-how weiter auszubauen, um mit diesen Erfahrungen unsere Kunden wiederum bestmöglich unterstützen zu können. Bosch versteht sich als Technologiepartner, der umfassende Lösungen und Dienstleistungen im Bereich der Wasserstoffproduktion anbietet.
Bis 2030 erwarten Sie einen Milliardenumsatz im Wasserstoffbereich. Welche technologischen, industriellen und regulatorischen Voraussetzungen braucht es aus Ihrer Sicht, um dieses Ziel zu erreichen?
Technologisch sind im Bereich Elektrolysestacks weitere Verbesserungen der Effizienz und Lebensdauer sowie Kostensenkungen erforderlich. Industriell müssen die Produktionskapazität schnell hochgefahren und wettbewerbsfähige Lieferketten aufgebaut werden. Regulatorisch sind klare und verlässliche Rahmenbedingungen notwendig, die Investitionen fördern, ambitionierte Ziele für grünen Wasserstoff setzen, eine angemessene CO2-Bepreisung ermöglichen und regulatorische Hürden abbauen.
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