01.12.2022 - 11:00

Kooperationen gegen den Klimawandel

Bildung für nachhaltige Entwicklung spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Klimawandel und Artensterben. Doch wie effektiv setzt das deutsche Bildungssystem die Vermittlung des Themas um?

Antworten liefert das nationale Monitoring zu Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Seit 2015 wird es durch ein Team um Prof. Dr. Gerhard de Haan an der Freien Universität Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt. Die aktuellen Ergebnisse sind allerdings in allen Bildungsbereichen ernüchternd, vor allem auf struktureller Ebene. Entsprechend kommentiert Prof. Dr. de Haan im didacta-Podcast die Ergebnisse für den schulischen Bereich: Zwar habe es „einige Veränderungen“ im letzten Jahrzehnt gegeben, aber die Empfehlung der Kultusministerkonferenz, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)  deutlich auf die Agenda zu setzen, sei ja auch schon 15 Jahre her.

Seitdem haben jedoch nur vier Bundesländer BNE verpflichtend in ihre Schulgesetze aufgenommen. Zwar würden einzelne Schulen BNE-Projekte eigeninitiativ umsetzen, aber meist nicht mehr als „20 Prozent“, so de Haan. Insbesondere die Platzierung in den Lehrplänen gelingt laut Monitoring nur vereinzelt – über alle Bildungsbereiche hinweg: Im schulischen Bereich gebe es eine „Qualifizierungslücke in der Lehrer*innenausbildung“. Die Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischem Personal in der Beruflichen Bildung und Frühen Bildung wird als ein „Desiderat“ bezeichnet. 

Zusammenschlüsse als Ausgleich
So kommt es, dass 15 Jahre nach der KMK-Empfehlung vor allem nichtstaatliche Akteure die Vermittlung dieses wichtigen Themas übernehmen. „Hier arbeiten in Deutschland Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eng zusammen“, so Prof. Dr. Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission bei der Vorstellung des UNESCO-Weltberichts im Frühjahr. Wie es konkret aussehen kann, wenn sich verschiedene Akteure beim Thema Nachhaltigkeit zusammentun, zeigt die Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof. Der Zusammenschluss von pädagogisch arbeitenden Personen, Initiativen und Organisationen lädt Kitas und Schulen auf Bauernhöfe ein. Vor Ort soll Kindern – mitunter von Landwirtinnen und Landwirten selbst – eine „praktische und wirklichkeitsnahe Begegnung mit der Natur, den Menschen und der Lebensmittelproduktion in der Landwirtschaft“ ermöglicht werden, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft auf ihrer Website formuliert. Durch Fortbildungen geht die Initiative zudem die Qualifizierungslücke bei pädagogischem Personal an, die das BNE-Monitoring bemängelt. 

Berufliche Bildung: Motor der Energiewende
Besondere Bedeutung kommt auch der Beruflichen Bildung zu: Theoretisch ist sie Motor der praktischen Umsetzung der Energiewende. Ohne Fachkräfte, die Wärmepumpen einbauen und Heizkörper modernisieren, wird Energiesparen schwierig. Auch in der Beruflichen Bildung wird Nachhaltigkeit allerdings weniger strukturell und stattdessen häufiger durch Kooperationen vermittelt. Die Berufsschule BBS I Uelzen ist zum Beispiel ein von der UNESCO-Kommission anerkannter „Lernort für 360-Grad-Nachhaltigkeitsbildung“: Nachhaltigkeit ist fest in Stundenplan und Schulalltag der Berufsschülerinnen und -schüler integriert. Wer eine Ausbildung zum Gebäudetechniker macht, lernt im Unterricht beispielsweise, welche Systeme besonders energieeffizient sind. Projekte zur Müllvermeidung sollen eine nachhaltige Lebensweise nahebringen. Zudem diente der Campus für zwei Jahre als Leitstelle für das von Erasmus+ geförderte Bildungsnetzwerk „Digital unterstützte und nachhaltigkeitsorientierte Exzellenzzentren Beruflicher Bildung in EUROPA gestalten (DUNE-BB-EU)“. Schülerschaft, Eltern, Unternehmen und Hochschulen stellten an der Schule Beispiele nachhaltiger Berufsbildungspraxis vor. Das Ziel: Der Politik einen Leitfaden vorlegen, der aufzeigt, wie digitale und nachhaltige Exzellenzzentren Beruflicher Bildung gestaltet werden könnten. „Nachhaltigkeit ist eine Kompetenz der Zukunft“, so Oberstudiendirektor und Vorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung, Stefan Nowatschin, gegenüber dem WorldSkills Germany Magazin

Quo vadis, BNE?
Und jetzt? Wie können staatliche Institutionen nachziehen? Das Forscherteam der FU Berlin empfiehlt, an Hochschulen Nachhaltigkeit verstärkt in hochschuldidaktische Fort- und Weiterbildung sowie in den bildungswissenschaftlichen Teil des Lehramtsstudiums aufzunehmen. Dringend im Hinblick auf BNE konkretisiert werden sollen auch die kompetenzorientierten Qualifikationsprofile für Kita-Fachkräfte. Idealerweise bevor weitere 15 Jahre vergehen.

Über die didacta
Vom 07. bis 11. März 2023 führt die didacta als Deutschlands wichtigste Bildungsmesse wieder Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Stuttgart zusammen.

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13:30 Uhr bis 14:15 Uhr

Nähere Informationen zu den Veranstaltungen der didacta 2023 finden Sie unter www.didacta-messe.de 

Quellenangabe: Dieser Beitrag erschien zuerst im didacta Themendienst.
Bildquelle: Dieses Bild steht unter https://pixabay.com/de/photos/unterrichten-kind-welt-geographie-928637/ zum Download bereit. Bitte beachten Sie die Nutzungshinweise auf www.pixabay.de.

Der Themendienst im Überblick: Weitere Artikel und Interviews zur didacta – die Bildungsmesse 2023 finden Sie im Dossier auf www.bildungsklick.de.

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