Vom Diamant zum Herzschlag: Quantentechnologien erobern die Medizintechnik
Wie sind Sie persönlich erstmals mit dem Thema Quantentechnologien in Berührung gekommen – und was fasziniert Sie bis heute daran?
Die Möglichkeiten, sehr schwache Magnetfelder biologischen Ursprungs zu messen, sind mir schon lange bekannt. In den vergangenen zehn Jahren gab es jedoch entscheidende Fortschritte, die Technologie robuster und zugleich kompakter zu gestalten. Daraus ergeben sich spannende neue Chancen in der medizinischen Diagnostik.
Quantentechnologie klingt für viele noch nach Zukunftsmusik. Aus Ihrer Sicht: Wo stehen wir heute schon, wenn es um konkrete Anwendungen in der Medizintechnik geht?
Aufbauend auf der Pionierarbeit von Jörg Wachtrupp an der Universität Stuttgart entstehen derzeit weltweit – und hier besonders im „QSENS: Zukunftscluster für Quantensensorik Ulm-Stuttgart“ – wegweisende Innovationen in der hochsensitiven Analytik. In Ulm wird zum Beispiel an neuen Verfahren der metabolischen Bildgebung gearbeitet. Gemeinsam mit Experten der Universitäten Stuttgart, Tübingen und der Charité entwickeln wir neue Methoden zur Erfassung von Gehirn- und Muskelsignalen.
Ein Ziel ist es, Handprothesen so intuitiv zu steuern wie eine gesunde Hand. Können Sie kurz erklären, wie aus einem schwachen neuronalen Impuls am Ende ein präziser Steuerbefehl für die Prothese wird?
Ein schwacher neuronaler Impuls löst eine lokale Muskelaktivierung aus. Diese erzeugt ein zeitlich und räumlich charakteristisches Magnetfeld. Wir detektieren dieses Signal ohne direkten Hautkontakt („contactless“). Anschließend wird es mithilfe von Klassifikations- oder Regressionsalgorithmenin Befehle wie „Hand öffnen“ oder „Hand schließen“ übersetzt.
Ihr Sensor nutzt NV-Zentren in Diamanten, um Magnetfelder messbar zu machen. Was macht diese Technologie besonders geeignet, um im Alltag unter realen Bedingungen Biosignale zu erfassen?
Die Kombination aus hoher Bandbreite und Robustheit gegenüber äußeren Störungen ist neu. Damit lassen sich selbst unter Alltagsbedingungen äußerst präzise Messungen durchführen.
Mit dem 2024 gegründeten Kompetenz-Zentrum bündeln Sie Expertise aus Forschung und Industrie. Welche Schwerpunkte setzen Sie aktuell – und wie weit sind Sie in der Entwicklung erster Prototypen?
Durch unseren Neuromechanik-Experten Dr. Leonardo Gizzi konnten wir das kontrollierte Öffnen und Schließen einer Handprothese bereits mit optisch gepumpten Magnetometern (OPM-Sensoren) demonstrieren. Möglichkeiten der neurologischen Diagnostik evaluieren wir derzeit gemeinsam mit den Tübinger Forschern Prof. Markus Siegel und Dr. Justus Marquetand (PD).
Die Miniaturisierung der Quantensensoren ist ein wichtiges Ziel. Welche technischen oder praktischen Hürden müssen Sie dabei noch überwinden, bis die Technologie alltagstauglich ist?
Bauraum, Abschirmung gegenüber Störeinflüssen und die effiziente Signalverarbeitung sind spannende Herausforderungen, an denen wir aktuell arbeiten.
Was dürfen die Besucherinnen und Besucher am Medizintechnik-Gemeinschaftsstand der „Quantum Effects“ konkret von Ihnen sehen oder erleben?
Wir stellen unsere Forschung zur berührungslosen Herzrhythmusmessung im Rahmen des Landesprojekts VitalQ vor. Besucher erhalten Einblicke, wie Quantensensoren künftig Vitalparameter präzise und komfortabel erfassen können – ein spannendes Beispiel für den Einsatz dieser Technologie in der Medizin.
Welche Rolle werden Quantentechnologien in der Medizin Ihrer Meinung nach spielen – und wie kann eine Plattform wie die Quantum Effects diese Entwicklung unterstützen?
Die Herausforderungen sind nur interdisziplinär zu bewältigen. Die Quantum Effects ist dafür ein idealer Marktplatz – sie bringt Fachleute aus verschiedenen Disziplinen zusammen, um gemeinsam an den medizinischen Lösungen von morgen zu arbeiten.
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