Frühe Bildung

„Aggressionen sind wichtige Gefühle“

Erwachsene tragen die Verantwortung für Qualität und Atmosphäre der Beziehung zu einem Kind

Auf das aggressive Verhalten eines Kindes reagieren Eltern und Pädagogen häufig ratlos und überfordert. Um das Kind unterstützen zu können, müssen sie sich zunächst mit ihren eigenen Aggressionen auseinandersetzen, sagt Wolfgang Bergmann. Er ist Therapeut und Trainer für Eltern und Fachkräfte.

Herr Bergmann, auf der didacta 2017 sprechen Sie über "Aggressionen als wichtige Emotionen". Warum sind Aggressionen wichtig? 

Früher war es so, dass man über Aggression nicht sprechen wollte. Es war ein Tabuthema. Wenn ein Kind wütend oder traurig war, hat man schnell gesagt: "Hör auf damit! Ein Indianer kennt keinen Schmerz." Man hat Gefühle unterbunden und dem Kind so keine Möglichkeit gegeben, einen konstruktiven Umgang mit ihnen zu entwickeln. Heute weiß man, dass hinter Aggressionen viele Emotionen stecken. Nicht nur Wut, sondern auch lebenswichtige Impulse. Aggressionen sind wie ein Motor: Wir brauchen sie, um etwas zu bewegen und voranzutreiben. Kinder sollten Wut bei sich selbst kennenlernen und gleichzeitig durch die Begleitung der Erwachsenen erfahren, wie sie mit ihr umgehen können. Dabei brauchen sie oft Zeit und die Unterstützung von Eltern und Fachkräften.

Was raten Sie Pädagogen, die mit dem aggressiven Verhalten eines Kindes überfordert sind? 

Es ist wichtig zu schauen, wie der Erwachsene selbst mit seinen Aggressionen umgeht: Seine eigene Entwicklung wirkt sich auch immer auf sein Verhalten aus, wenn er mit einem aggressiven Kind zu tun hat. Früher war der Fokus immer auf das Kind gerichtet. Nach dem Motto: "Mit dem Kind stimmt was nicht." Das passiert heute leider auch noch oft. Aber Kinder reagieren ja auf die Gegebenheiten um sie herum. Viele müssen 40 bis 45 Stunden pro Woche in die Kita gehen und viel kooperieren: Sie müssen morgens um sechs Uhr aufstehen, dann in die Kita und werden manchmal erst abends um 17 Uhr von dort abgeholt. Die Eltern verbringen vielleicht noch eine halbe Stunde mit den Kindern und dann geht es wieder ins Bett. Die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren sehr geändert und das führt zu dem Verhalten beim Kind, das wir als aggressiv oder trotzig bezeichnen. Ich gebe Pädagogen den Rat, hinter die Fassade zu gucken und sich zu fragen: Was hat wohl zu dem Verhalten des Kindes geführt? Was hat das Kind gerade wütend gemacht?

Muss die Fachkraft demnach eher nach den Aggressionsursachen des Kindes forschen oder am eigenen Verhalten arbeiten?

Sowohl als auch. Die Verantwortung für die Qualität und die Atmosphäre der Beziehung zu einem Kind liegt bei dem Erwachsenen. Dieser Ansatz ist sehr wichtig: Wenn ich als Erwachsener schaue, wie ich eine Beziehung zum Kind herstellen kann, dann verändert sich meistens automatisch auch das Verhalten des Kindes. Das heißt nicht, dass Kinder jeden Wunsch erfüllt bekommen sollten, sondern, dass sie gesehen und wertgeschätzt werden sollen. Das Kind sollte das Gefühl haben: Ich bin okay so wie ich bin. Und der Erwachsene steht als Leuchtturm vor mir, der mir den Weg zeigt und mich in meiner Entwicklung begleitet. 

Wolfgang Bergmann spricht auch auf der didacta 2017 in Stuttgart über Aggressionen als wichtige Emotionen:

Frühe Bildung
Kita-Seminar
Aggressionen als wichtige Emotionen – kompetent umgehen mit negativen Gefühlen
Wolfgang Bergmann
16. Februar 2017
13:00 bis 14:30 Uhr
Internationales Congresscenter (ICS), Raum C4.2
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft

Kita-Seminar
Worauf es ankommt – Kompetenzen von Kindern sehen, verstehen und ko-konstruktiv stärken
Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis
16. Februar 2017
10:30 bis 12:00 Uhr
Internationales Congresscenter (ICS), Raum C4
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft

Kita-Seminar
Stärken stärken, um so die Schwächen zu schwächen – Zeit für einen Perspektivenwechsel
Ursula Günster-Schöning
16. Februar 2017
13:00 bis 14:30 Uhr
Internationales Congresscenter (ICS), Raum C4.3
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft

Kita-Seminar
Workshop: Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zusammen mit den Jüngsten aufbauen
Britta Kolbe
16. Februar 2017
13:00 bis 14:30 Uhr
Internationales Congresscenter (ICS), Raum C4.1.1
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft

Kita-Seminar
Workshop: Gewaltprävention im Kindergarten – die Kinder sind doch noch so klein…?
Ruth Siemens-Frömmer
16. Februar 2017
13:00 bis 14:30 Uhr
Internationales Congresscenter (ICS), Raum C4.1.2
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft

Kita-Seminar
Workshop: Starke Mädchen und starke Jungen – geschlechterbewusste Pädagogik in der Kita
Prof. Dr. Petra Focks
16. Februar 2017
13:00 bis 14:30 Uhr
Internationales Congresscenter (ICS), Raum C5.1.1
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft

Die Teilnahme an den Kita-Seminaren ist anmeldepflichtig.

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen der didacta finden Sie unter www.didacta-stuttgart.de/programm.

Textdatei, Messefotos der letzten didacta und Messelogos können Sie im Internet herunterladen unter www.messe-stuttgart.de/didacta/journalisten

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Bildnachweis: Wolfgang Bergmann

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